Der andere Blickwinkel
Persönliche Ansichten unserer Welt- in Gedanken und Bildern.

Antifeminismus in der Leipziger Autoritarismus Studie 2022

Im Jahr 2022 ist zum wiederholten Male die 'Leipziger Autoritarismus Studie' erschienen. Ein kurzer Blick in das Kapitel 'Antifeminismus und Geschlechterdemokratie' lässt Zweifel aufkommen, ob es sich da um Wissenschaft oder Propaganda handelt. Hier ist der etwas längere Blick.

Propaganda in der Wissenschaft?

Leider gibt es keine generelle Anleitung für Wissenschaft, in der man einfach nachlesen könnte, wie richtige Wissenschaft betrieben wird, aber ein unausgesprochenes Ziel von wissenschaftlichem Handeln ist, eine möglichst vollständige Beschreibung der Zusammenhänge der Welt zu finden,  blinde Flecken zu vermeiden und nichts zu unterschlagen. Selbstverständlich gibt es begrenzte Untersuchungen, aber man wird von Wissenschaft immer erwarten, dass der Gültigkeitsbereich geklärt und auf das Umfeld hingewiesen wird. Was man nicht von Wissenschaft erwarten würde, wäre die gezielte Unterdrückung bestimmter Tatsachen, Ideen oder Umstände, um vorgefasste Meinungen zu bestätigen - Wissenschaft ist nie ideologisch.
Man stelle sich Astronomen vor, die Bibliotheken über die Untersuchungen an Sternen füllen, aber die Existenz sich bewegender Objekte - Planeten, Kometen etc. - vollständig verschweigen, so als gäbe es am Himmel nichts anderes als Sterne - ähnlich wie es die Kirche im 15. Jahrhundert tat. Oder man stelle sich eine Studie zu 'Quellen der CO2 Belastung' vor in der es hieße: 'Als CO2 Quellen konnten Gaskraftwerke, Kohlekraftwerke, die Schifffahrt und auftauende Permafrostböden ausgemacht und näher untersucht werden'. Würde da vielleicht jemand den Straßenverkehr vermissen? Hat da jemand gezielt unterschlagen, was nicht ins Bild passt? Wurde die Untersuchung evtl. von der FDP beauftragt? Solche Fragen würden einem da durch den Kopf gehen.
Tatsächlich handelt es sich bei so einer Vorgehensweise - Tatsachen zu verschweigen ohne explizit zu lügen - um einen Standardtrick der Propaganda. Richtig geht der so:

  1. Durch spezielle Ausdrucksweisen (z.B. komplexe Sätze) und den Gebrauch von Fachausdrücken sowie durch umfangreiche Listen mit Quellenangaben wird ein - formal - wissenschaftlicher Eindruck erweckt. Das macht einerseits einen seriösen Eindruck und schüttelt anderseits viele Leser ab, die sich dann nur noch auf die Zusammenfassung verlassen.
  2. Für ein manipulierendes Framing werden geeignete Schlüsselworte eingebaut. Damit kann beispielsweise eine gar nicht vorhandene Verbindung zwischen zwei Begriffen erzeugt werden, die beim Leser unbewusst eine Haltung erzeugt, die nicht den Tatsachen entspricht, aber das eigentliche Manipulationsziel ist.
  3. Mit Listen von untersuchten Punkten wird der Eindruck erweckt, der betrachtete Gegenstand wäre von ausreichend vielen Seiten betrachtet worden. Die Listen sind aber unübersichtlich gehalten, so dass das Fehlen einzelner Punkte nicht auffällt - sie Punkt 4.
  4. Tatsachen und Umstände die nicht zur eigenen Ideologie passen, werden in keiner Weise erwähnt  und bleiben vollständig unberücksichtigt, so dass niemandem auffällt, dass bestimme Dinge nicht untersucht wurden und fehlen.

Punkt 4 ist nochmal ein Trick für sich, den ich 'Das kaputte Mikroskop' nenne: Dinge, auf die hingewiesen werden soll, werden sehr detailliert wie durch ein Mikroskop betrachtet, aber der Rest wird ausgeblendet. Mit der Zeit lassen sich bei diesem 'Mikroskop' dann nur noch ganz bestimmte Dinge ein- und scharf stellen und untersuchen. Andere Einstellungen sind nicht mehr möglich, weil der kleine geistige Horizont so bequem ist und zu der Meinung passt, die bestätigt werden soll. So entsteht das Gefühl, das Mikroskop zeige 'Die Welt' wie sie ist, obwohl es sich nur um einen kleinen Ausschnitt handelt, der nicht repräsentativ ist.
So entsteht der Eindruck einer seriösen wissenschaftlichen Arbeit, obwohl es sich um eine geschickte Fälschung handelt: eine perfekte Manipulation, für Demagogie bis in höchste Kreise geeignet. Kein Politiker, kein Journalist wird den Fehler bemerken, alle werden sich blenden lassen von der formal wissenschaftlich anmutenden Oberfläche.

Wie arbeitet die Leipziger Autoritarismus Studie?

Genau so sind die Herausgeber der Leipziger Autoritarismus Studie vorgegangen: sie haben eine wissenschaftlich klingende Sprache benutzt, lange Listen mit Quellen angegeben, den Begriff 'Antifeminismus' immer wieder mit üblem, rechten Vokabular gepaart um ein entsprechendes Framing zu erzielen, aber sie haben nur untersucht, was in ihr Konzept passt, und so getan, als wäre das vollständig - sie haben mit einem kaputten Mikroskop gearbeitet: was störte haben sie, obwohl es so nahe lag, unterschlagen, nämlich dass der Feminismus nicht das tut, was er behauptet - Ungerechtigkeiten beseitigen und die Gesellschaft besser machen - und dass klugen Köpfen das aufgefallen sein könnte; das kommt in der Studie an keiner Stelle vor. Schon in der Einleitung wird Antifeminismus als 'antidemokratische Einstellung' als 'Verschwörungserzählung' und als 'antimoderne Ideologie' bezeichnet.
In den Naturwissenschaften gibt es immer die Natur, die entscheidet, ob die Wissenschaft gut war: passen die Theorien nicht zur Realität, waren sie falsch. In den Sozialwissenschaften ist das leider nicht immer so einfach, da ist es leichter, dummes Zeug zu publizieren - das nicht zu nicht tun, ist Vertrauenssache. Aber natürlich gibt es auch in den Sozialwissenschaften eine gesellschaftliche Realität, die als Maßstab herangezogen werden kann.
Man muss sich schon sehr dumm anstellen um nicht zu bemerken, dass beispielsweise in den unangenehmen und gefährlichen Berufen fast nur Männer anzutreffen sind: auf dem Bau beim mauern oder Gerüst aufbauen, im Straßenbau, beim Dachdecken, als Maler oder Glaser und noch in einigen weiteren Berufen. Warum? Weil es unangenehme, harte Arbeit ist und Frauen die Möglichkeit haben, sich davor zu drücken. Und wo wollen Feministen Frauenquoten? Da, wo viel Geld zu verdienen ist, nicht aber bei der Feuerwehr oder auf den Müllwagen. Und in den Parteien - aber nicht bei den Mitgliedschaften sondern auf den Wahllisten. Übrigens sterben Männer bekanntermaßen 5 Jahre früher als Frauen - wird das thematisiert? Wo bleibt da der Feminismus, der vorgibt, eine gerechte Gesellschaft anzustreben, um all diese und noch viele andere Ungerechtigkeiten anzuprangern und zu beheben?
Es gibt viele Bereiche in unserer Gesellschaft, in denen Männer ohne Frage benachteiligt und Frauen privilegiert sind. Feministen leugnen das, kämpfen für weitere weibliche Privilegien und predigen Männerhass: dagegen wehren sich viele Antifeministen, denn diese Antifeministen wollen eine gerechtere Welt - man kann Antifeminist und links sein, für Toleranz und gegen Rassismus. Haben die Autoren der Studie das mit ihren Fragen erfasst? Nein, haben sie nicht, sie haben diesen Realitätsbereich ausgeblendet und sich ausschließlich für Korrelationen zwischen Antifeminismus und rechtsextremen Positionen interessiert; ihr geistig-intellektueller Horizont war einfach zu eng, denn sie hatten die implizite Prämisse, dass Feminismus gut und Antifeminismus schlecht ist und konnten mit ihrem kaputten Mikroskop nur noch die Bestätigung ihrer Vorurteile finden.
Dabei wäre es für die Studie letztlich völlig irrelevant, ob die Vorwürfe der Antifeministen den Tatsachen entsprechen, denn 'Wahrheiten' zu bestätigen oder zu widerlegen war nicht Gegenstand der Studie: die Studie behauptet, die politischen Positionen und Überzeugungen der Bevölkerung zu untersuchen. Zitat: "... spürt die Studie demokratischen wie antidemokratischen, pluralistischen wie autoritären Einstellungsmustern nach und zeichnet ein empirisch gesättigtes, facettenreiches Bild von Ansichten, Werten und Stimmungen in der Bevölkerung." Aber genau das tut sie beim Antifeminismus nicht, sie verbreitet unter einem wissenschaftlichen Deckmantel ihre Dogmen - das ist Manipulation auf hohem Niveau.

Kein Zweifel - keine Wissenschaft

Die Autoren haben das in sie gesetzte Vertrauen missbraucht, sie verfassten einen Wust an Behauptungen und lassen Antifeminismus als rückwärts gerichtet und rechtsextrem erscheinen. Beispiele aus der Studie:

  • Sie stellen mittels eines Verweises auf eine Aussage aus dem Jahre 1902 eine Verbindung von Antifeminismus, Antisemitismus und antimodernen Bewegungen im Jahr 2022 her - 120 Jahre später.
  • Sie bezeichnen den "Antifeminismus als Brückenideologie für rechtsautoritäre und rechtsextreme Akteure"
  • Sie konstatieren eine "Verwobenheit von antifeministischen Einstellungen mit rechter Ideologie und autoritären Einstellungen"
  • Sie stellen eine Verbindung hegemonialer Männlichkeit mit Antifeminismus her und postulieren "dass mit derlei Männlichkeitsvorstellungen das Streben nach Macht, sozialer Dominanz und Überlegenheit in Beziehungen verbunden ist"
  • und stellen dann die Frage "Was sind die zentralen Erklärungsgründe für antifeministische Einstellungen (auch in Relation zu sexistischen Einstellungen)?"
  • Sie behaupten, es "bezeichnet Antifeminismus die politisch ausgerichtete organisierte Gegnerschaft gegenüber feministischen Emanzipationsbestrebungen. Er zielt auf die Manifestation patriarchaler Dominanz und richtet sich aktuell meist heteronormativ gegen die Auspluralisierung sexueller, geschlechtlicher und familiärer Lebensformen, weshalb die gegenwärtige Spielart des Antifeminismus auch als »Antigenderismus«bezeichnet wird. Antifeminismus muss zugleich als Ressentiment und Ideologie verstanden werden. Im Zentrum des Ressentiments steht die ambivalent erlebte Weiblichkeit. Die Ambivalenz wiederum findet ihren Ausdruck im Antifeminismus als Ideologie."
  • Sie phantasieren, es "bilden Sexismus, Frauenhass und Homophobie die »Tiefenstruktur« von Männlichkeit"
  • Sie erklären, es könne das Konzept der "hegemonialen Männlichkeit herangezogen werden, in dem Männlichkeit als eine »politische Ordnung« verstanden wird, die das Verhältnis der Geschlechter in Form einer männlichen Hegemonie strukturiert."
  • Sie konstatieren eine "enge Verbindung von Rechtsextremismus und Antifeminismus"
  • Sie unterstellen Phantasmen eines rechten Abwehrkampfes "Zu dieser Erzählung gehören unter anderem die imaginierte Vorherrschaft von Frauen sowie eine vermeintlich durch den Feminismus verursachte Benachteiligung von Männern und Jungen, die bekämpft werden sollen."
  • und behaupten "Dies verweist auf die dem Antifeminismus implizite Verteidigung von (in der Regel männlichen) Machtstrukturen (soziale Dominanzorientierung), die sich gut mit Verschwörungsszenarien über feministische Eingriffe in die Gesellschaft verbinden lassen."

Das alles bewegt sich zwischen grobem Unfug und platten Lügen, muss aber nicht begründet werden, da die Adressaten der Studie genau das erwarten. Sie lassen die Möglichkeit eines Zweifels gar nicht zu, was nicht in ihr Weltbild passt wird einfach nicht erwähnt. Sie stellen eine Reihe falscher Behauptungen auf, vermengen diese mit den Ergebnissen der Befragungen und verquirlen alles mit ihrer Ideologie. Sie schreiben   als würden sie gesicherte Wahrheiten verkünden und lassen die Möglich von Irrtum gar nicht zu, sie bewegen sich in einem geschlossenen Weltbild ohne Auswege in die Realität: ihre Ausführungen sind in ihrer Welt nicht falsifizierbare Kopfgeburten einer Ideologie - und damit wissenschaftlich wertlos. Natürlich werden sie versuchen sich damit zu rechtfertigen, dass alle Hintergründe in den zitierten Schriften nachzulesen seien - aber für offensichtliche Fehler gibt es keine Rechtfertigung in anderen Quellen, diese sind dann einfach falsch.
Schaut man sich die Fragen zur Studie an, wird der Betrug sofort klar: sie sind genau so konstruiert, dass sie die Antworten liefern, die vorher als Ergebnis festgelegt worden waren. Untersucht wurden nur bestimmte Facetten des Antifeminismus - sexuelle Gewalt gegen Männer kommt beispielsweise gar nicht vor - so als würde man sich bei einer Feminismus-Studie nur auf Solanas, Dworkin und Firestone als Feministen konzentrieren. Die Fragen der Studie (rechts) erfassen nur einen kleinen Teil des Antifeminismus in der Gesellschaft.

Die Aussagen im Fragebogen der Studie zum Komplex Antifeminismus, Sexismus und Feminismus:

  • Frauen übertreiben ihre Schilderungen über sexualisierte Gewalt häufig, um Vorteile aus der Situation zu schlagen.
  • Durch den Feminismus werden die gesellschaftliche Harmonie und Ordnung gestört.
  • Frauen, die mit ihren Forderungen zu weit gehen, müssen sich nicht wundern, wenn sie wieder in ihre Schranken gewiesen werden.
  • Frauen machen sich in der Politik häufig lächerlich.
  • Eine Frau, die sich mehr auf ihren Beruf als auf Haushalt und Kinder konzentriert, sollte kein schlechtes Gewissen haben.
  • Die Frauen sollen sich wieder mehr auf die Rolle als Ehefrau und Mutter besinnen.
  • Für eine Frau sollte es wichtiger sein, ihrem Mann bei der Karriere zu helfen, als selbst Karriere zu machen.
  • Frauen, die sich gegen eine Familie und Kinder entscheiden, empfinde ich als egoistisch.
  • Die Diskriminierung von Frauen ist in Deutschland immer noch ein Problem.
  • Die jetzige Beschäftigungspolitik benachteiligt die Frauen.
  • Die Diskriminierung und Benachteiligung von Frauen muss unbedingt behoben werden

Resümee

Im Vorwort zur Studie 2022 heißt es:

"In Zeiten von Pandemie, Krieg, Klima- und Energiekrise sind fundierte gesellschaftspolitische Analysen für gehaltvolle Debatten wichtiger denn je. Verlässliche Daten zu Stimmungen und Einstellungen in Deutschland sind von Beginn an Kern der Leipziger Autoritarismus Studien. Zum nunmehr elften Mal spürt die Studie demokratischen wie antidemokratischen, pluralistischen wie autoritären Einstellungsmustern nach und zeichnet ein empirisch gesättigtes, facettenreiches Bild von Ansichten, Werten und Stimmungen in der Bevölkerung."

Aber beim Thema Antifeminismus wird mit kalkulierter Lüge reine Propaganda betrieben, es wird kein Bild der Einstellung der Bevölkerung gezeichnet, sondern es werden durch absichtlich falsche Fragen die Vorurteile der Autoren reproduziert: Der Antifeminismus-Teil der Studie untersucht nicht das Verhältnis von Antifeminismus zu Gesellschaft, sondern betrachtet nur einen Ausschnitt des antifeministischen Spektrums aus Sicht linker Ideologen. Wo es um das Verhältnis der Gesellschaft zu geschlechtsbezogenen Einstellungen geht, betreibt die Studie reine Propaganda.

Der Vollständigkeit halber hier noch der Link auf die Vorläuferstudie aus dem Jahr 2020.