Der andere Blickwinkel
Persönliche Ansichten unserer Welt- in Gedanken und Bildern.

Politik und Demokratie

Alle Menschen sind unterschiedlich, keine zwei Menschen sind gleich. Menschen können nicht gleich sein, sie können nicht gleich gemacht werden - und sie wollen auch nicht gleich sein.

Das ist zunächst kein Problem und es wäre wundervoll, wenn alle Menschen einfach so, wie sie es sich wünschen, in ihrer individuellen Unterschiedlichkeit, nach ihren eigenen Werten und Vorstellungen leben könnten. Leider beeinträchtigt aber in einer Ansammlung von Menschen das Leben der Einen, das Leben der Anderen. Darum ist es erforderlich den Menschen Grenzen zu setzen die ihnen zwar möglichst viele Freiheiten  lassen, die Beeinträchtigung des Lebens Anderer aber begrenzen. Aufgabe der Politik ist es nun, zwischen diesen Myriaden von - oft extremen - Vorstellungen aller Individuen, die Grenzen so zu ziehen, die 'Regler der Politik' also so zu justieren, dass alle möglichst friedlich miteinander auskommen können.

Wünschenswert wären dafür Politiker, die an einer Feinjustage der 'Regler' arbeiten wollen; leider aber wollen die meisten Politiker die 'Regler' so weit als möglich in die von ihnen persönlich bevorzugte Extremposition positionieren; das würde eine Gesellschaft zerstören und muss darum verhindert werden. Die Funktion der Demokratie liegt jetzt darin, alle Akteure an diesen 'Reglern' ziehen zu lassen, so dass sich eine irgendwie mittlere Position einstellt, mit der möglichst viele Bürger sich arrangieren können, auch wenn diese Position nicht das persönlich bevorzugte Extrem ist. Nur so kann aus einem Haufen unterschiedlicher Individuen eine Gesellschaft entstehen.

Grauzonen

DAS zentrale Problem von 'Gesellschaft' ist also, dass alle Menschen - von der Evolution so 'gewollt' - unterschiedlich sind. Diese Unterschiede decken natürlich nicht nur die Extreme ab; im Gegenteil, die meisten Menschen finden sich irgendwo im mittleren Bereich zwischen den Extremen wieder. Dementsprechend werden natürlich auch die Beeinträchtigungen von Menschen durch andere Menschen mehr oder weniger stark sein, so dass ein quasi kontinuierlicher Bereich von 'kaum wahrnehmbar' bis hin zu 'unerträglich' entsteht.

Damit Gesellschaft entstehen kann, müssen also Menschen mit zum Teil sehr verschiedenen Werten, Bedürfnissen und Lebens-Vorstellungen in der Lage sein, die Andersartigkeit der Anderen hinzunehmen, zu tolerieren und mit ihnen zusammenzuleben. Der dafür erforderliche Kitt, der eine Gesellschaft zusammenhält, sind aber nicht nur die von den Politikern geschaffenen Gesetze, die die Bürger voreinander schützen, sondern in besonderem Maße auch die Grauzonen strafrechtlich nicht relevanter Handlungen, Ideen und Verhaltensweisen - Verhaltensweisen, die von manchen Personen und in manchen Kreisen üblich und gewollt, in anderen Gruppen aber unerwünscht und verpönt sind. Diese Grauzonen schaffen an ihren Rändern die erforderliche Elastizität, ohne die jeder Kontakt unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen zu heftigen und zerstörerischen Zusammenstößen führen würde. Diese gegenseitige Akzeptanz ist Kennzeichen einer Demokratie.

Es ist darum die Pflicht jedes Demokraten, Toleranz zu üben gegen die Andersartigkeit der Anderen und diese Spannung auszuhalten. Der Versuch, die eigenen Werte und Vorstellungen allen Anderen aufzuzwingen, die Grauzonen also im eigenen Sinne abzuschaffen, sie Schwarz oder Weiß zu machen (*), scharfe Grenzen zu Den Anderen zu ziehen und diese strafrechtlich zu erfassen, zerstört eine demokratische Gesellschaft, denn er zerstört die mehrheitliche Zustimmungsfähigkeit zur Gesellschaft und ist darum ganz wesentlich undemokratisch. Eine Gesellschaft ganz nach den eigenen Wünschen kann es immer nur für Einzelne geben und sie müsste darum eine Diktatur sein.

Demokratie muss man ertragen wollen! Jeder Einzelne von uns!

*    Dieser Prozess der Abschaffung von Grauzonen wird auch als 'Concept Creep' bezeichnet.

Stand: 05.05.2024